Die deutschen Reaktionen auf die Einführung des Kriegsrechts

* Die Deutsche Demokratische Republik  *

Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, die die Führer der Volksrepublik Polen zu überreden versuchte, einen entschiedenen Kampf gegen die Konterrevolution aufzunehmen, nahm die Einführung des Kriegsrechts in Polen mit Genugtuung zur Kenntnis.  In ihren Augen war es ein adäquater, allerdings nicht ausreichender Schritt, um die polnische Krise zu lösen. Nach dem 13. Dezember 1981 leistete sie Unterstützung für die polnischen Genossen. Es ging dabei nicht nur um die psychische Unterstützung, die sich z. B. in dem „brüderlichen Gruß im Kampf“ von Erich Honecker an Wojciech Jaruzelski einige Tage nach der Einführung des Kriegsrechts äußerte.  Ihre Hilfe hatte auch eine materielle Dimension in Gestalt von der für das Auseinandertreiben von Demonstrationen nötigen Ausrüstung (u. a. 10 Panzertransporter, ca. 360 Tausend von Granaten mit Tränengas, fast 41 Tausend von Rauchkerzen und über 20 Tausend von Schlagstöcken) äußerte. STASI unterstützte den polnischen Sicherheitsdienst in seinem Kampf gegen den Untergrund und agierte auch in Polen. STASI half z. B. dabei, die Sender von „Solidarność” in Niederschlesien aufzuspüren,  sie führte auch eine Fortbildung für die Funktionäre des polnischen Sicherheitsdienstes durch und stellte Spezialausrüstung zur Verfügung. Darüber hinaus sorgte STASI für die notwendige Technik für die – von der polnischen Obrigkeit gefürchtete Pilgerreise des Papstes Johannes Paul II nach Polen im Juni 1983  – sie verlieh Kamerausrüstung, Minifons und Fotoapparate mit Sonderobjektiven an ihre polnischen Kollegen. Selbstverständlich verstärkte die STASI  seit der Einführung des Kriegsrechts auch ihre inneren Aktivitäten, insbesondere in Bezug auf die Überwachung und Aktionen gegen Gruppen, die der Unterstützung für die polnische Opposition verdächtigt waren.


* Die Bundesrepublik Deutschland *

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat die Einführung des Kriegsrechts mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis genommen. Für Bonn bedeutete das Kriegsrecht ein „kleineres Übel“,  die Lösung der polnischen Krise durch die Regierung der Volksrepublik Polen selbst, ohne die sowjetische Intervention, hielt man für die bestmögliche Option.  Die BRD-Regierung war diejenige unter den Westmächten, die eine gemäßigte Politik gegenüber den Machthabern der Volksrepublik Polen nach der Einführung des Kriegsrechts führte, sie war allerdings gleichzeitig der größte Gegner von Sanktionen und Befürworter deren Aufhebung. Symbolträchtig war der Besuch des Bundeskanzlers Helmut Schmidt in der DDR am 13. Dezember 1981. Wesentlich schärferen Kurs in Bezug auf die „polnische Angelegenheit“ vertrat die oppositionelle FDP, deren Präsidium am 14.Dezember 1981 die Aufhebung des Kriegsrechts forderte. Die Christdemokraten kritisierten die Einstellung der Regierung als zu nachgiebig. Trotz dieser Unterschiede haben die Regierung und die Opposition am 18.12.1981 eine gemeinsame Erklärung herausgegeben.  Dort forderte man zwar die Freilassung von Internierten und die Fortsetzung des Dialogs, sprach sich dennoch nicht für die Aufhebung des Kriegsrechts aus und erwähnte nicht den Namen „Solidarność“.  ln den folgenden Monaten wurde die Stellung der bundesdeutschen Regierung (u. a. unter dem Einfluss von USA) leicht korrigiert – sie erklärte nicht länger die Hoffnung auf weitere Demokratisierung der Volksrepublik Polen, man sprach davon, dass das kommunistische System nicht reformierbar ist. Für die BRD-Politik spielten die Beziehungen zu der DDR eine wesentlich wichtigere Rolle als die Niederschlagung des polnischen Demokratisierungsprozesses, deswegen enthielt sie sich einer eindeutigen Kritik an dem Kriegsrecht. Zu weiteren Reaktionen der BRD auf die Einführung des Kriegsrechts gehörte das Engagement in die humanitäre Hilfe für Polen –Postpakete nach Polen waren von den Postgebühren freigestellt, was dazu führte, dass die Anzahl von  Paketen mit Kleidung und Lebensmitteln 2 Millionen überschritt. Ein weiterer Aspekt dieser humanitären Hilfe waren die Bemühungen um Freilassung von Internierten. Im Oktober 1982 übernahmen Christdemokraten unter der Führung von Helmut Kohl die Macht. Die neugewählte Regierung bediente sich anderer Rhetorik, sie forderte u. a. die Aufhebung des Kriegsrechts und das Zulassen der legalen Arbeit der Opposition auf. Sie wollte dennoch nicht (wenigstens am Anfang) ihre Stellung gegenüber die Volksrepublik Polen verschärfen. Mit der Zeit sprach man sich auch für die Notwendigkeit der Freilassung von politischen Gefangenen und das Respektieren von Menschenrechten in Polen aus. Nach der ersten Pilgerfahrt von Johannes Paul II nach Polen im Juni 1983 mäßigte sich die bundesdeutsche Politik erneut.

Obwohl die Bundesrepublik Deutschland nach der Einführung des Kriegsrechts zu einem der Hauptländer der politischen Emigration aus der Volksrepublik Polen geworden ist, kam es zu den ersten (heimlichen) Kontakten der regierenden Christdemokraten mit „Solidarność“ (repräsentiert von Artur Hajnicz, dem ehemaligen Journalisten der „Wochenzeitung Solidarność“ und dem Chefredakteur Tadeusz Mazowiecki) erst kürzlich nach der Aufhebung des Kriegsrechts im Juni 1983.

Auch die westdeutschen Medien (vor allem gleich nach dem 13.12.1981) haben die Einführung des Kriegsrechts mit Verständnis aufgenommen. Davon zeugt u. a. ein Artikel in „Der Zeit“, in dem diese Maßnahme zwar nicht gelobt wurde, man ihr dennoch als einer Alternative zu der sowjetischen Intervention Erfolg wünschte.  Am Rande bemerkt hat diese Stellung der deutschen Politiker und Medien Empörung bei u. a. in den 70-er Jahren aus der DDR ausgewiesenen Barden und Dichter (genannt „deutscher Bob Dylan”) Wolf Bierman hervorgerufen, der Wojciech Jaruzelski beschuldigte, einen Bürgerkrieg in Polen entfacht zu haben.

In die polnischen Angelegenheiten nach dem 13. Dezember 1981 engagierten sich die Gewerkschaftler des DGB, die nicht nur die humanitäre Aktion „Solidarität mit Poland“ initiierten aber sich auch offen für die Freilassung von  Internierten und Aufnahme von Gesprächen der Regierung der Volksrepublik Polen mit „Solidarność“ ausgesprochen haben.



Grzegorz Majchrzak