Deutsche Reaktionen auf die Entstehung von „Solidarność“

Die Deutsche Demokratische Republik
 

Für die Regierung in Berlin bedeutete die Nachbarschaft zu Polen u. a. ein Risiko des „Überspringens“ von nicht erwünschten Ideen und Gedanken. Es verwundert daher nicht, dass die Führung der DDR die Situation in der Volksrepublik Polen im Sommer 1980 mit wachsender Beunruhigung beobachtete. Die Unterzeichnung der Verträge im August, insbesondere die Entstehung von „„Solidarność“ empfand sie als eine ernstzunehmende Gefahr, sogar als eine noch größere Bedrohung als der Prager Frühling in der Tschechoslowakei 1968. Mit Beunruhigung verfolgte die DDR-Führung das Nachgeben der polnischen  Regierung, sie unterstützte gleichzeitig  „die gesunden Kräfte“ innerhalb der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (gemeint waren die Hardliner, die eine starke Linie gegenüber der Gewerkschaft vertraten). Um die „polnische Seuche“  aufzuhalten hat die DDR im Oktober 1980 Beschränkungen im Grenzverkehr zu Polen eingeführt, gleichzeitig wurden die Grenzkontrollen wesentlich  verschärft.

Unser Nachbar im Westen gehörte (neben Tschechoslowakei) zu den sozialistischen Staaten, die sich für die Intervention in Polen ausgesprochen haben, um die Konterrevolution zu ersticken. In dieser Zeit hat man auch die Aktionen des DDR-Staatssicherheitsdienstes „in polnische Richtung“ verstärkt. Dazu gehörte auch die Tätigkeit der „Operationsgruppe Warschau“ in der Volksrepublik Polen seit Herbst 1980. Polen wurde – ähnlich wie die Bundesrepublik Deutschland für „Operationsgebiet“ erklärt. Zu den Aufgaben der Funktionäre dieser Gruppe gehörten übrigens auch die Unterstützung der „gesunden Kräfte“ in der Vereinigten Arbeiterpartei Polens und die „Stärkung des leninistisch-marxistischen“ Strömung in der Partei. 

Auch die DDR-Bevölkerung nahm die Entstehung von „Solidarność“ nicht gerade enthusiastisch auf. Die negative Einstellung gegenüber den polnischen Bürgern wurde durch die Tatsache, dass Polen Masseneinkäufe in den besser mit Waren ausgestatteten  DDR-Läden tätigten, verstärkt.  Gleichwohl schürte die Anti-„Solidarność“-Propaganda in den Medien diese Stimmung. Die Zuspitzung ging so weit, dass sich die Evangelische Kirche im April 1981 gezwungen sah, eine Warnung vor dem Wiederaufleben antipolnischer Ressentiments, zu verkünden. Selbstverständlich ließen sich nicht alle DDR-Bürger durch diese Stereotypen beeinflussen, so z. B. traf man unter den DDR-Gewerkschaftlern einige, die mit den polnischen Kollegen sympathisierten. Unterstützungsaktionen für „Solidarność“ oder auch Versuche, eigene Gewerkschaften in der DDR nach dem polnischen Muster zu demokratisieren fanden dennoch äußerst selten statt. Infolge solcher Aktionen nahm man im Juli 1981 einige Personen fest.

 

Die Bundesrepublik Deutschland

Die Regierung in Bonn verhielt sich gegenüber  „Solidarność“  weitgehend zurückhaltend.  Die Beziehung zu „Solidarność“  schwankte zwischen Bewunderung und Angst. In Bonn hatte man Angst, dass die Situation in Polen die Entspannung in der Welt bedrohen könnte - insbesondere in Hinblick auf die als Priorität gesetzten Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu der Deutschen Demokratischen Republik.  Einerseits bewunderte man die polnischen Arbeiter, andererseits weckte der nationale und katholische Charakter von „Solidarność“ keine Sympathien bei der Regierung von Helmut Schmidt (Vertreter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands). Die machthabenden westdeutschen Politiker vertraten die Meinung „Man soll kein Öl ins Feuer gießen“. Sie waren dagegen, die Regierung in Warschau – vor allem aber in Moskau - zu verärgern, man deklarierte die Politik der Nicht-Einmischung in die polnischen Angelegenheiten.  Als Beispiel dieser Politik kann die Tatsache dienen, dass Helmut Schmidt den Besuch von Lech Wałęsa in Deutschland blockierte.  

Eine wesentlich bessere Beziehung zu  „Solidarność“  hatte die bundesdeutsche Opposition - nicht nur die Christdemokraten, sondern auch die linksorientierten Grünen. Die Letztgenannten kooperierten mit der Organisation „Solidarität mit „Solidarność“, die u. a. die polnischen Gewerkschaftler unterstützte. Zu den Initiatoren und Gründern von „Solidarität mit „Solidarność“  gehörten Vertreter einiger lokaler und regionaler linksgerichteter Organisationen.

"Solidarność" konnte auch auf das Entgegenkommen und die Unterstützung der bundesdeutschen Gewerkschaften, insbesondere des DGB zählen. Seine Vertreter haben Lech Wałęsa (trotz des Widerstandes der BRD-Regierung) nach Deutschland eingeladen und dem Region Masowien  Kopierer für  Tonbänder für „Solidarność“ – Radiosendungen übergeben. DGB unterstützte in den Jahren 1980-1981 „Solidarność” mit 25.000 DM, die für technische Ausrüstung ausgegeben wurden. Auf seine Einladung kam es im Oktober 1981 zu einem Besuch von aktiven Mitgliedern von „Solidarność“ unter der Führung von Zbigniew Bujak in der Bundesrepublik Deutschland.  Früher, im September 1981 verweigerte die Führung der Volksrepublik Polen die Einreise von  Erwin Kristofferson – dem Leiter der Auslandsabteilung des DGB zu dem  I Landeskongress von„Solidarność“.  

Trotz der Befürchtung, den weltweiten Entspannungsprozess zu bedrohen, wurde "Solidarność" offen von einigen Intellektuellen unterstützt (z. B. Heinrich Böll oder Klaus Staeck). Die Medien der BRD berichteten (im Gegensatz zu den Medien in der DDR) ausführlich und umfassend über die Ereignisse in Polen, darunter über die Aktivitäten von „Solidarność„.  Nebenbei bemerkt – diese Nachrichten sind teilweise auch zu den DDR-Bürgern gelangt. Einige Fernsehprogramme in der BRD führten zu Protesten polnischer Diplomaten, einige westdeutsche Journalisten und Medienvertreter wurden dadurch in der Volksrepublik schikaniert – so z. B. wurde dem Kameramann des ARD –Hans Jürgen Gersondle das Arbeitserlaubnis entzogen.